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von Zwockel
Rittbericht Marathon Nord 2017 (Korrekturen und Änderungen willkommen!)
Freitag vor Pfingsten. Mit geliehenem Auto und einer Trosserin, die diesen Job zum ersten Mal machen wird (und mir unterwegs erklärt, sie könne nicht gut Karte lesen) fahren wir Richtung Emsland zum Marathon. Im Gegensatz zu den meisten anderen Startern sind wir zum ersten Mal dabei und sehr gespannt auf das, was uns da erwartet. Nachdem Bert Fichtel sich bei einem schweren Sturz heftig verletzt hat und im Krankenhaus liegt, hatten sich Jens und Anja kurzfristig in die Veranstalterrolle begeben und somit den Ritt dieses Jahr überhaupt erst ermöglicht.
Im Vorfeld hatte uns Jens schon allerhand Informationen gemailt. So wußten wir, dass wir am Startort Landgasthaus Elberger Schlipse nicht unmittelbar neben den Paddocks kampieren würden. Im Geiste sah ich mich schon Wasserkanister hunderte Meter über die Wiese schleppen, doch vor Ort sah alles ganz anders aus, denn man konnte über einen niedrigen Zaun steigen und das Pferd sehr komfortabel versorgen. Nach einem kurzen Abstecher ins Restaurant fand abends die Vorbesprechung sehr romantisch im Schein von Helmlampen und anderem Leuchtgerät statt. Es stellte sich heraus, dass unsere Campnachbarn Silke und Charly ebenfalls vorhatten, die Strecke ruhig anzugehen, so dass Silke und ich zusammen reiten und Charly und meine Schwägerin Ilka zusammen trossen könnten. Solchermaßen beruhigt gingen wir schlafen.
Der Start am nächsten Morgen war eine sehr gemütliche Angelegenheit. Um neun Uhr ging es los. Wir reihten uns ziemlich am Schluss ein und der ganze Trupp ritt geschlossen vom Hof und zunächst eine Weile im Schritt. Schließlich zog sich das Feld auseinander, alle trabten nach und nach an und die vor uns Reitenden verschwanden außer Sicht.
Die Strecke war gut zu finden, es ging durch Felder, Wiesen und Wälder bis zum ersten Kontrollpunkt. Griechische Philopsohen hatte Jens angekündigt, stattdessen lasen wir „Appenzeller“. Wir tippten auf Käse und ritten weiter. Die erste Zehnminutenpause nach 12 km verwunderte meine Stute etwas, aber es ging dann auch fix weiter. Der zweite Kontrollpunkt klang auch nach Käse: „Großer Schweizer“ (Jens klärte uns abends darüber auf, dass dies Hunderassen seien). Die Pferde fanden ihren Rhythmus; Silkes Fassara ließ Kira gerne den Vortritt, und so kamen wir nach weiteren 13 km in der ersten Vierzigminutenpause an. Das Wetter wurde entgegen der Vorhersage (Gewitter) sehr warm und schwül, und auf der letzten Etappe hatte mein Pferdchen keine Lust mehr. So ließen wir uns von Silke und Fassara nördlich von Geeste durch den Wald und daran entlang etwas ziehen und hörten wie geplant in der nächsten Pause bei km 38 auf. Kira ließ sich erstaunlicherweise schnell verladen und wir fuhren zur nächsten Station, dem Ulmenhof in der Nähe von Übermühlen.
Hier erwartete die Reiter ungeahnter Luxus: Neben einer Dusche und einem Aufenthaltsraum stellte der Hofbesitzer einen großen Grill zur Verfügung. Zudem gab es die Möglichkeit, Wasser heiß zu machen und Geschirr zu spülen; auch die Handys lagen abends einträchtig in einem Nebenraum und konnten geladen werden. Claudia Nünninghoff war einkaufen gegangen, und so gab es ein reiches Büffet. Um den Grill versammelte sich zügig fast die ganze Truppe, und es wurde lange gequatscht und Geschichten erzählt. Nächstes Jahr wissen wir dann auch, dass die Wiese sehr sorgfältig aufgeteilt werden muss – als die trosslosen Reiter mit ihren Gespannen eintrafen, wurde es doch sehr eng.
Am Sonntag wurde um acht gestartet, und es erwartete uns die Strecke an der Radde. Mein Pferd hatte seine Null-Bock-Phase hinter sich und war frisch wie immer. Wir ließen den ersten Teil der Radde aus und ritten erst später am Ufer entlang. Kira entschied sich für den Weg rechts des Flusses, was eine hervorragende Entscheidung war: Nur wenig später standen am anderen Ufer neben einem dröhnenden Dieselgenerator einige fröhlich restalkoholisierte Jugendliche, die sich in den Augen der Pferde doch etwas seltsam verhielten.
Wir hatten ohnehin ganz andere Probleme mit den Wegen am Fluss: In dem hohen Grasbewuchs war der Boden nicht zu sehen, und wir mussten sehr langsam traben. Hier war ich dankbar für mein erfahrenes Geländepferdchen, das nach dem ersten Stolperer den Bodenradar einschaltete und so auch für die junge Stute von Silke mit aufpasste. Nachdem wir die Uferseite gewechselt hatten, zeigten sich jedoch tiefe Löcher überall dort, wo der Fluss den Weg unterspült hatte. Einmal konnte Fassara nicht mehr ausweichen und trat in ein solches Loch, glücklicherweise ohne sich zu verletzen. Die vor uns reitende Gruppe um Tatjana Peters [wer noch? Dinie? waren so ungefähr vier] hatte mehr Pech: Tatjanas Pferd trat auf einen Hohlraum und brach durch. [Das Pferd hat sich nicht verletzt, hatte Tatjana sich was getan?] Sportlich fair wartete die ganze Gruppe auf uns, um uns vor der gefährlichen Stelle zu warnen. Danke dafür!
Östlich von Sögel konnten wir die Radde, so landschaftlich reizvoll sie war, endlich verlassen. Zwar brauchten wir nicht auf die Karte zu sehen und auch die lustigen kleinen schwarzen Libellen hatten ihren Charme – die ständige Konzentration auf den Boden war dennoch sehr anstrengend. Nach einem entspannenden Ritt durch das Waldgebiet „Glockenschlag“ landeten wir am Harrenstädter Sand in der nächsten Pause. Hier bekamen wir die Nachricht, dass der vorgesehene Weg an der Ohe durch Schafdraht versperrt sei. Ich musste somit ganz fix meinen Hufschuh reparieren, der eine Schraube verloren hatte. Was uns auf der Ausweichstrecke erwartete, war sehr unschön: Mehrere Kilometer grob geschotterter Weg erwarteten uns. Ausweichen auf Wiesen oder Felder war wegen Gräben und Zäunen unmöglich. Schrittreiten hätte die Sache nur unnötig in die Länge gezogen, also trabten wir etwas missmutig darauf entlang, bis wir eine Brücke über die Ohe fanden und durch wunderbare Sand- und Wiesenwege sofort wieder entschädigt wurden.
Nördlich von Lorup trafen wir auf den nächsten Stop, wo wir bei km 48 aufhörten. Die Pferde waren trotz der anstrengenden Etappe noch fit, dennoch fuhren wir zum Zielort in Mittelsten Thüle. Mitten im Ort wurden die Gespanne auf der Festwiese geparkt und Paddocks aufgebaut. Dass es hier nicht viel Gras gab, wußten wir schon, daher wurden fleißig Heunetze geleert. Nach dem inzwischen gewohnten Ablauf Pferd versorgen – Zelt aufbauen – für morgen alles vorbereiten fand sich ein munteres, buntes und etwas angeschmutztes Häufchen Distanzreiter zum Buffet in der Gastwirtschaft ein. Als spät am Abend alle eingetroffen waren, stellte uns der Wirt noch einen Raum für die letzte Vorbesprechung zur Verfügung.
Am Montag ging es, auf Wunsch der Reiter, die eine längere Abreise haben würden, auch wieder (erst) um acht Uhr an den Start (Bert hatte 6:30 vorgeschlagen, was auf allgemeines Missfallen gestoßen war).
Die Strecke heute sollte uns durch ziemlich viel Wald führen. Nach den ersten Kilometern durch den Barenberger Sand und an einem anderen Waldstück vorbei lernte ich, dass „Eichen musst du weichen“ hier tatsächlich der bessere Tip gewesen wäre. Statt den tief über den Weg reichenden Ästen der Eichen durch Ducken aus dem Weg zu gehen, wollte ich sie beiseiteschieben, was bei den ersten paar Bäumen hervorragend funktionierte. Dann allerdings fegte mich der nächste Ast ganz langsam und gemütlich aus dem Sattel… Immerhin fällt man im Wald weich. Auch Kira lernte noch etwas Wichtiges: Wir kamen an ein paar große, schwarze Waldpfützen, aus denen Fassara trinken wollte. Kira buddelte zur Sicherheit noch ein etwas größeres Loch, um bequemer ans Wasser zu kommen. Fassara ihrerseits guckte sich von Kira ab, mit den Hufen ins Wasser zu gehen, statt am Rand der Pfütze entlangzubalancieren. Somit hatten alle etwas gelernt und vollgesoffen mit mineralienreichem Waldpfützenwasser trabten wir munter zum nächsten Stop. Hier musste Fassara leider aufhören, da sie nicht mehr sauber lief. Ich schloss mich Tatjana an und ritt mit ihr noch die letzten 13 km weiter (und wir haben es doch tatsächlich geschafft, vor lauter Gequatsche in Sichtweite der Pause noch von der Strecke abzukommen!). Wir hörten wieder bei 38 km auf und fuhren zum Jägerhof, wo der Abschluss der Veranstaltung stattfand.
Wie immer zog sich der Nachmittag hin, man ratschte und sah bei der NU zu, nachdem man die unfassbaren Mengen an Zeugs halbwegs ordentlich im Gespann verstaut hatte. Beate Scharfenberg betrachtete jedes Pferd mit Argusaugen, und leider blieben wie schon am ersten und zweiten Tag nicht alle Pferde in der Wertung. Ich lernte, dass beim MTR jeder Tag einzeln gewertet wird, man also nur die Km angerechnet bekommt, die mit einer bestandenen NU enden.
Die Siegerehrung mit Pferd an der Hand war viel zu schnell vorbei, und danach setzten sich alle in Bewegung.
Für mich war es ein ganz besonderes Wochenende. Schon lange habe ich vorgehabt, den Marathon mitzureiten, und ohne die Ermutigung von Jens hätte ich mich nicht getraut. Es herrschte durchweg eine freundliche, hilfsbereite Atmosphäre (natürlich zickt jeder in diesen drei Tagen irgendwann mal rum), in der neue Freundschaften entstanden. Besonders stolz bin ich auf Kira, die mit ihren 21 Jahren das zweitälteste Pferd war (nur Nelly von Claudia Nünninghoff war noch älter) und mit fast komplett sauberen Checkkarten diese Ausdauerleistung mit Freude erbracht hat. Mit Silke zu reiten war sehr kurzweilig, das wiederholen wir gern! Nicht zuletzt hat auch meine Schwägerin inzwischen fast gelernt, Karten zu lesen…
Danke an alle, die diese Veranstaltung möglich gemacht haben! Wir kommen wieder, so lange die alte Dame noch läuft.
Zuletzt geändert von
Zwockel am Donnerstag 22. Juni 2017, 20:49, insgesamt 2-mal geändert.
Reiten ist Wille ins Weite, ins Unendliche. (Rudolf G. Binding)